Donnerstag, 15. März 2007

Trot

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Trot 트로트
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Der regelmäßige Leser und Freund, weiß sicher, dass ich eine gewisse Affinität zu koreanischer Musik habe, und zwar zu ziemlich allen Genres, beginnend bei Pansori und Minyo über Trot bis zu Gayo.
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Meine Leidenschaft ist aber zweifellos Trot und deshalb soll sich eines der seltenen inhaltlichen Postings von Lehrer Gom genau um dieses Thema drehen. Es wird nie für eine Hausarbeit herhalten können, aber mir setzen noch zu viele Leute die Musik mit Enka, dem koreanischen „Schlager“-Genre gleich.
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Stellenwert
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Trot hat natürlich bei jungen Koreanern etwa den gleichen Stellenwert wie Schlager in Deutschland, wenn es um die eigene Musikauswahl geht, aber kennen und singen können, das gehört auch für die Jugend zum Grundinventar des Erwachsenwerdens. .Hauptsächlich bleibt Trot deshalb das Genre für alle Straßenverkäufer dieser Nation, für jede Restaurantbesitzerin und jeden Lieferdienstfahrer, kurzum, Musik für das Volk.
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Nicht zuletzt ist Trot auch eine Methode Koreanisch zu lernen: Einprägsame Rhythmen, einfache Texte, effektive Lernmethode durch Karaoke und dabei großer Spaßfaktor. Diese Lehrmethode wurde von mir entwickelt und von Lee Seo-gyu in seinem bekannten Buch
"Wenn man das Lehrbuch zur Seite packt, tanzen die Fremdsprachen" unter Angabe meines Namens beschrieben. Grins.
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Geschichte
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Dass Trot so sehr mit japanischer Musik in Verbindung gebracht hat, hat aber dies Mal weniger etwas mit japanischen Nationalisten, sondern ironischerweise gerade mit koreanischen Nationalisten zu tun, die behaupten, dass Trot unkoreanisch sei und von den Japanern aufgezwungen worden sei.
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Wie praktisch jedes Feld hat sich aber natürlich auch die Musik trotz japanischer Besatzung weiter entwickelt und hierbei sowohl japanische als auch andere westliche Elemente aufgenommen.
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Die Ursprünge sind jedoch schon in der Zeit des koreanischen Kaiserreichs zu suchen als westliche Einflüsse sich mit westlichen und japanischen Einflüssen vermischten und neben Pansori und Min-yo (Volksliedern) langsam aber sicher zu einem neuen Genre verbanden. Dass ebenso wie politisch und wirtschaftlich hierbei die japanischen Einflüsse stark waren, ist nicht zu bezweifeln, dass aber einfach eine japanische Kunstform übernommen wird, ist stark zu bezweifeln. Nach der Besatzung wirkten dann vor allem amerikanische Einflüsse immer stärker ein und nicht selten tauchten im Titel Wörter wie "Blues" oder "Jive" auf, auch die Melodien wandelten sich ein wenig, immer mehr wurde Trot zur "Tanzmusik" für die kleine aber wachsende Schicht, die sich Vergnügung leisten konnte, dies aber nicht auf amerikanischen Militärbasen tat.
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Sängerinnen wie Lee Mi-ja (이미자), die allgemein als die Königin des Trots angesehen wird, aber bekamen auch oft Gegenwind, da insbesondere die Balladen sich doch zu stark an der damals in Japan ungemein populaeren orientierten, was so kurz nach der Kolonialzeit verpönt war. So wurden gar einige Lieder verboten, die zu japanisch gewesen sein sollen.
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Nachdem die Welle der Tanzcafes abflaute, verkam Trot immer mehr zu einer Rummelmusik, die auf Kaffeefahrten, in Raststätten und kleinen Marktläden gedudelt wurde. Trot aber verschwand nie vollends, vor allem die Hausfrauen Koreas sorgten dafür, indem sie vornehmlich Kassetten kauften und die Sänger so über Wasser hielten.
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Trot heute
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Sie waren auch die ersten, die den neuen Trot für sich entdeckten, der vor allem als "Semitrot" bezeichnet wird, da nun junge Künstler die Bühnen stürmten. Der Hit "Eomeona" (Oh weh!) der neuen Sängerin Jang Yun-jeong stürmte die Charts und wurde in verschiedensten Umfragen zum beliebtesten koreanischen Lied aller Zeiten gewählt. Die Sängerin wurde mit Auszeichnungen überhäuft und ihre Alben verkauften sich wie warmer Reis.
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Plötzlich wurde auch die Jugend aufmerksam und die Medien spielten wieder Trot. Insbesondere Jang hat einen großen jungen Fankreis. Es war klar, dass es nicht lange dauern sollte bis andere auf den Zug aufsprangen. Inzwischen gibt es einen eigenen Trot-Fernsehsender, Radiosender, die sich auf Trot spezialisieren und vor ein paar Wochen kam gar ein sehr erfolgreicher Film in die Kinos, in dem der Wandel eines Rocksängers zum Trotsänger als Komödie gezeigt wird, hier der Trailer dazu:
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Die Diversität des Trot wurde immer deutlicher und lässt sich meiner Meinung nach grob folgendermaßen klassifizieren:
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1. Ganz alter Trot (Sinminyo, Neue Volksmusik) - Hat heute kaum noch Anhänger, erinnert sicher auch zu stark an die Kolonialzeit
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2. Klassischer Trot (Seongin Gayo, Erwachsenenmusik) - Hat heute wieder einige junge Anhänger, vor allem aber die Generation der Ajummas und Ajeosshis als Fans. Fast alle großen Stars gehören in diese Kategorie; sie sind landesweit ziemlich jedem bekannt. Zu ihnen gehören: Song Dae-gwan, Tae Jin-a, Lee Mi-ja, Jo Yong-pil, Sim Su-bong, Kim Heung-guk, Hyeon-suk, Na Hun-a, Kim Hye-yeon etc. etc. Diese Sänger sind allesamt seit Jahrzehnten im Geschäft. Es kommt nicht selten vor, dass ein Künstler im Fernsehen sein "40. Bühnenjubiläum" oder das "30. Album" feiert.
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3. Zwischenform - Wird heute oft als Rummelmusik verwendet und zeichnet sich vor allem daraus, dass der Stil des alten Trot mit Techno vermischt wird. Oft bis ins Unerträgliche.
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4. Semitrot bzw. New Trot - Im neuen Jahrtausend durch neue Künstler bekannt geworden, die unangefochtene Königin hierbei ist Jang Yun-jeong, aber auch Super Junior und LPG haben Plattenverkäufe zu verzeichnen. Der ebenfalls bekannte Popsänger Cha Tae-hyeon hat ebenfalls - wohl in Zusammenhang mit seiner Filmrolle - einige Trotlieder aufgenommen. Überhaupt gibt es mit Ausnahme von Jang wenige reine Trotsänger, vielmehr wird das Troterbe übernommen und durch behutsame Neubearbeitungen in die Moderne übernommen.
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Eine extrem kranke Vergewaltigung des Trots durch die Boyband Super Junior sieht man hier "Reoggugeo" (in etwa zu uebersetzen als waertsrueck)
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Na gut, es ist schon lustig, weil der Text zwar sinnlos ist, aber voll auf Klang ausgelegt ist.
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Namensgebung
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Woher der Name Trot eigentlich stammt, ist ziemlich ungeklärt. Natürlich aber gibt es verschiedene Theorien, von denen ausnahmsweise mal keine mit Japan zu tun hat.
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Eine Theorie besagt, dass Trot vom charakteristischen Rhythmus kommt, der an den Trab eines Pferdes erinnert (Engl. Trot), was sehr wahrscheinlich ist, da einige Lieder tatsächlich anfangen wie ein Pferderennen.
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Eine weitere Theorie über den Namen Trot, kommt schließlich zu der Auffassung, dass wegen der westlichen Einflüsse, die erstmalig in die koreanische Musik einwirkten, der Name Trot entstanden sei, in Anlehnung an die vom Rhythmus ähnliche Foxtrott-Musik.
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Meist abwertend, manchmal aber auch einfach neutral verwendet, wird der Name "Bbongjjak"-Musik, der sich ebenfalls auf den Rhythmus bezieht. Wobei man Bbongjjak vom Koreanischen getrost ins Deutsche als "Uftata" oder "Bum Bum" übersetzen kann.
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Charakteristika
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Charakteristika des Trots sind natürlich, wie oben gezeigt aufgrund seiner Diversität schwierig zu definieren. Dinge, die jedoch typisch sind, kann man schon zusammenfassen.
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1. Dramatik - Koreaner schwelgen in Leid und Schmerz, sodass auch die meisten der Balladen nicht einfach von einer verflossenen Liebe trällern, sondern meist echte Trennung verarbeiten. Dies jedoch meist mit für den Westler sehr abgenutzten Metaphern von Schiffen und Sonnenuntergängen etc. Hierbei gibt es meist eine Steigerung in Musik und Text.
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2. Rhythmus - Viele Balladen haben einen Rhythmus, weshalb sie mit Enka verglichen werden, einen sehr orientalischen an der Fünftonmusik orientierten Rhythmus.
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Die klassischen Stimmungslieder wie z.B. "Wenn du da bist, streng dich auch an" setzen auf eine Art Marschmusik, die manchmal geradezu martialisch erscheint.
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Fröhliche Lieder wie "Tigerschmetterling" von Kim Heung-guk warten mit einer großen Zahl von Instrumenten von Trompete bis zu Xylophon auf.
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Den meisten Liedern gemein ist aber der gerade zu Beginn und anschließend im Hintergrund immer wieder auftretende "Trippelrhythmus", eben jener "Trab", der eventuell für den Namen verantwortlich war.
Aber am einfachsten lässt sich der Rhythmus durch ein kurzes koreanisches Video erklären, bei dem Für Elise mit einem Trotrythmus unterlegt wird:
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3. Präsentation - Trot wird meist auf eine großen glamourösen Bühne dargeboten, die auch bei kitschiger Dekoration nicht aufhört. Meist gibt es ein Orchester, bei fröhlicheren Liedern hat man auch Backgroundtänzer eingeführt. Die Sänger treten meist in Anzug oder bei Damen wallender Abendrobe, manchmal gar mit Nerz oder Stola auf.
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4. Fans - Der "koreanische Country" wie er manchmal fälschlicherweise vom Klang her genannt wird, hat seine Fans tatsächlich meist auf dem Land, weshalb die meisten Großveranstaltungen in mittelgroßen Städten oder bei "Dinner Shows" stattfinden, wo alles, was noch krauchen kann, hinfährt.
Nicht zuletzt ist es auch ein beliebtes Mittel zur Belustigung der älteren Bevölkerung.
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5. Texte - Die Texte sind natürlich über Liebe, Leid und ähnliches, aber es gibt meist eine größere Varietät, größeren Einfallsreichtum als bei den meisten modernen Popliedern. Im Gegensatz zum Pop, tangiert der Trot - obwohl ja ähnliche wie Schlager vor allem Unterhaltungsmusik, auch gesellschaftliche Themen. So erlangte die Sängerin Sim Su-bong Berühmtheit als eines ihrer Lieder als Lied über Park Chung-hee interpretiert wurde. Oft wird auch von den Umbrüchen in der Modernisierung gesungen. Trotzdem sind die Texte an sich leicht einprägbar und sie wiederholen sich sehr oft, d.h. der Fokus liegt meist auf einem Refrain, der immer wiederholt wird oder eine Catchphrase, die dann in verschiedenen Versionen wiederholt wird. Etwas Seltenes in moderner koreanischer Musik, der Wortwitz, der in alten Zeiten vor allem durch das Pansori transportiert wurde, taucht auch hier auf. Als Beispiel wäre das Lied "Sarangun Jangnani aniya" zu bringen.
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Angucken
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Und wenn ihr jetzt nach soviel Text noch mehr Trot hören wollt, gibt es hier ein paar Links:
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Zum einen eine Trotsängeragentur, wo man sich einen Haufen Lieder anhören kann.
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Und dann ein MBC Special, bei dem junge Popsänger und Comedians gegeneinander antreten, um den König des Trots zu bestimmen. Einfach grandios:
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5 Kommentare:

sca hat gesagt…

Und ich dachte, ich hätte am Wochenende wichtigeres zu tun als youtube-Videos zu gucken... :-D

Feiner Einstieg und Überblick über die Trot-Szene.

Anonym hat gesagt…

Super, hat sich wirklich gelohnt hier reinzuschauen. Danke!

Anonym hat gesagt…

Wunderbare Zusammenstellung, Klasse! Die Kulturabteilung der Koreanischen Botschaft bietet gegen 5 € in Briefmarken als Schutzgebühr einen Band an '100 Jahre koreanische Popmusik' mit 50 Trotsongs mit Text, Noten und dt. Übersetzung. Und schon kann man mitsingen! LOHNT SICH SEHR!!

Anonym hat gesagt…

ach so, hier die Adresse:

Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea

Lützowufer 26

10787 Berlin

Wie gesagt 5 € in Briefmarken und den Band '1oo Jahre koreanische Popmusik' anfordern!!

Gomdori@KU hat gesagt…

Grins...ich hab den schon, aber trotzdem danke für den Tipp noch mal ^.^ Gab ja mal eine Veranstaltung in Berlin, passend zu der ist dieses Heft herausgekommen :)